Digital resources in the Social Sciences and Humanities OpenEdition Our platforms OpenEdition Books OpenEdition Journals Hypotheses Calenda Libraries OpenEdition Freemium Follow us

Hatten Bücher immer schon einen festen Ladenpreis? Episoden aus der Geschichte des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der seinen 200. Geburtstag feiert (8)

Als der Leipziger Buchhändler Theophil Georgi im Jahr 1742 damit begann, sein Allgemeines europäisches Bücherlexikon zu veröffentlichen, das am Ende rund 120.000 Titel verzeichnete, stieß er bei seinen Kollegen durchaus nicht auf Begeisterung. Denn das umfassende Verzeichnis der damals lieferbaren Bücher enthielt erstmals auch die Angabe, wie teuer der einzelne Titel war. Die Buchhändler befürchteten, auf den angegebenen Preis festgenagelt zu werden und keinen höheren durchsetzen zu können. Der von Georgi angegebene Preis war der Endverkaufspreis, der auf der Basis des „Ordinärpreises“ (mit dem die Buchhändler untereinander kalkulierten) errechnet wurde. Dieser war aber noch lange nicht verbindlich.  

Die Idee eines gebundenen Ladenverkaufspreises „gehört zu den zentralen Anliegen des Börsenvereins seit seiner Gründungsgeschichte“, betont der Buchwissenschaftler Stephan Füssel.1 Damit verweist er darauf, dass der feste Ladenpreis, der weder unter- noch überschritten werden darf, auch fast einhundert Jahre später noch längst nicht allgemein bindend war und bis heute – meist außerhalb des Buchhandels – noch kontrovers diskutiert wird.

Erste Regulierungsansätze für Bücherpreise finden sich in Taxordnungen des 17. Jahrhunderts, die von Obrigkeiten oder Universitäten erlassen wurden. Diese legten Maximalpreise pro Druckbogen fest, um Preistreiberei einzudämmen. Hauptkriterium für den Preis waren die Herstellungskosten. Das erlaubte es den Buchhändlern auch, ihre Waren auf der Messe bogenweise – unbeeinflusst vom eigentlichen Inhalt – zu tauschen, anstatt sie bar zu bezahlen. Allerdings waren die Vorgaben der Taxordnungen schwer durchzusetzen – eine „Buchpreispolizei“ existierte nicht – und dienten eher als grobe Richtschnur denn als verbindliche Vorschrift. Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb für Käufer unklar, welchen Preis sie in einer Buchhandlung für ein gewünschtes Werk zu zahlen hätten.

Einträge in Georgis Bücherlexikon (u.a. Bücher von Thomas Morus) mit Bogenzahl und Preisen

Nachdem Georgi für eine erste Orientierung gesorgt hatte, begannen auch einzelne Buchhändler, Preise in ihren Sortimentskatalogen auszuweisen, wobei darauf je nach Kunde noch Rabatte oder besondere Zahlungsfristen gewährt wurden. Durch die Veröffentlichung der Preise entstand allmählich mehr Markttransparenz, da Kundinnen und Kunden nun die Angebote verschiedener Händler vergleichen konnten. Vor allem Bestellkunden aus abgelegenen Regionen wussten nun, welche Kosten auf sie zukamen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts verfügte in Deutschland längst nicht jede Stadt über eine Buchhandlung; lediglich an knapp 300 Orten existierten insgesamt 838 Firmen.2 Bestellungen waren daher gang und gäbe.

Der Preis im Buchladen hing immer mehr von der individuellen Kalkulation des Verlegers ab (ob er z. B. Honorare an den Autor zahlte, was lange Zeit unüblich war, oder in welcher – manchmal nebeneinander angebotenen – Papierqualität er das Buch herausbrachte). Auch der Buchhändler brachte seine variablen Kosten für Miete, Transport und Währungsrisiko in Anschlag. So konnte ein und dasselbe Buch in Bremen teurer sein als in Leipzig, wo es auf der Messe gehandelt wurde. Aufgrund dieses Standortvorteils boten Leipziger Buchhandlungen eine größere Auswahl zu günstigeren Preisen als anderswo. Gelegentlich kam es sogar zu einem Preiswettbewerb zwischen Buchhandlungen innerhalb größerer Städte, wie beispielsweise zwischen Hartung und Nicolovius in Königsberg.3

Philipp Erasmus Reich (1717-1787)

Das früher durch Taxordnungen künstlich stabilisierte System der Bücherpreise stieß Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr an seine Grenzen. Als der einflussreiche Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich auf der Ostermesse 1760 ankündigte, seine Werke künftig nur noch zum Reichskurs gegen Barzahlung abzugeben, setzte ein Wandel ein. Der Nettohandel gewann zunächst in Norddeutschland an Bedeutung. Der Tauschhandel wurde nach und nach durch eine geldbasierte Wirtschaft abgelöst. Mit der Forderung nach einem festen Netto-Barpreis schuf Reich erstmals eine objektive, geldbezogene Wertigkeit für jedes Buch. Dieser Preis bildete fortan die verbindliche Grundlage für alle Handelsstufen und wurde schließlich auch auf das Verhältnis zwischen Sortimenter und Endkunde übertragen. Die Verleger erkannten, dass ein stabiler und wirtschaftlich erfolgreicher Sortimentshandel in ihrem eigenen Interesse lag. Nur profitable Buchhandlungen konnten ihre Werke zuverlässig absetzen und bezahlen.

Stephan Füssel zählt auch den Verleger Georg Joachim Göschen zu den Wegbereitern des festen Ladenpreises. In seiner Schrift Meine Gedanken über den Buchhandel und dessen Mängel (1802) hat er die Risiken fehlender Preisbindung aufgezeigt: etwa die Verbilligung einzelner Bestseller bei gleichzeitiger allgemeiner Preiserhöhung, oder den Rückgang gut sortierter Buchhandlungen besonders in ländlichen Regionen. Neben ihm und Friedrich Perthes (Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur, 1816) forderten auch andere Verleger und Buchhändler die Gründung eines Branchenverbandes, der gemeinsame Handelsnormen etablieren und neben der Bekämpfung des Nachdrucks auch die Durchsetzung fester Ladenpreise garantieren konnte. Dennoch dauerte es bis 1825, bis der Börsenverein der Deutschen Buchhändler tatsächlich gegründet wurde, und sogar bis 1845, bis sich Buchhandlungen in Deutschland und der Schweiz verpflichteten, keine Rabatte mehr an Endkunden zu gewähren und die festgelegten Preise einzuhalten.

Die Sanktionsmöglichkeiten der zentralen Organisation blieben jedoch zunächst begrenzt, sodass die sogenannte „Schleuderei“ – also der preisunterbietende Verkauf – ein anhaltendes Problem darstellte. Erst 1888 trat eine entscheidende Satzungsänderung des Börsenvereins in Kraft, die alle Mitglieder unter Androhung des Ausschlusses zur Einhaltung der Preisbindungsbestimmungen verpflichtete. Diese als „Krönersche Reform“ bekannte Maßnahme zeigte die erhoffte disziplinierende Wirkung und verlieh den preisbindenden Regelungen Nachdruck.

Handelte es sich hierbei noch um eine rein vereinsinterne Regelung, so ist die Buchpreisbindung in Deutschland heute gesetzlich verankert. Maßgeblich ist das Buchpreisbindungsgesetz vom 2. September 2002, das festlegt, dass Bücher grundsätzlich der Preisbindung unterliegen. Wie in § 1 des Gesetzes formuliert, dient es dazu, „den Erhalt eines breiten Buchangebots“ zu sichern. „Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.“

  1. Füssel, Stephan: Die Preisbindung für Bücher aus kulturhistorischer Sicht, in: Ulrich Everling u. a. (Hrsg.): Die Buchpreisbindung aus europarechtlicher, ökonomischer und kulturhistorischer Sicht, Frankfurt am Main 1997, S. 89–102, hier S. 89 []
  2. Mark Lehmstedt, “Le rendevous de tous les gens de lettres et de tous les nouvellistes” – Gestalt und Funktion des Buchladens im Zeitalter der deutschen Aufklärung, in: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 9 (1999), S. 9-75, hier S. 14. []
  3. Michael Knoche, Gräfe und Unzer – Sortiments- und Verlagsgeschichte von 1722–1950, München, 2022, S. 50 []

OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Michael Knoche (27. Oktober 2025). Hatten Bücher immer schon einen festen Ladenpreis? Episoden aus der Geschichte des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der seinen 200. Geburtstag feiert (8). Aus der Forschungs­bibliothek Krekelborn. Abgerufen am 13. November 2025 von https://doi.org/10.58079/151v0


Michael Knoche

Michael Knoche war von 1991 bis 2016 Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Zu den Buchveröffentlichungen gehört: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft (Göttingen: Wallstein 2018). Persönliche Website: https://www.knoche-weimar.de/

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.